Kindergeld: Einheitliche Erstausbildung
Sonstiges
Bei der einheitlichen Erstausbildung eines Kindes wird das Kindergeld gewährt, bis diese Ausbildung insgesamt abgeschlossen ist. Eine einheitliche Erstausbildung ist nicht anzunehmen, wenn das Kind nach Erlangung eines ersten Berufsabschlusses während einer beruflichen Weiterbildung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, die im Vergleich zur Weiterbildung als "Hauptsache" anzusehen ist. Ein Kind wird nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Allerdings ist eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis unschädlich.
Praxis-Beispiel:
Der Vater erhielt Kindergeld für seine Tochter, die im Juni 2016 ihre Ausbildung zur Steuerfachangestellten abgeschlossen hatte. Die Tochter wurde von ihrem bisherigen Ausbildungsbetrieb in Vollzeitbeschäftigung übernommen. Noch im Juni 2016 meldete sich die Tochter bei der Fachschule für Wirtschaft der Fachrichtung Betriebswirtschaft (Schwerpunkt Steuern) an, um den Abschluss "Staatlich geprüfte/r Betriebswirt/in" zu erreichen. Die in Teilzeit zu absolvierende Ausbildung dauert 3 ½ Jahre. Voraussetzung für die Teilnahme an der Abschlussprüfung war u.a. eine praktische Berufstätigkeit im Ausbildungsberuf von mindestens einem Jahr. Das berufspraktische Jahr konnte auch während der Fachschulausbildung abgeleistet werden. Die Tochter begann den Schulbesuch im Schuljahr 2016/2017. Der Vater beantragte die (Weiter-) Zahlung von Kindergeld ab Juli 2016. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab, weil die Berufstätigkeit nicht nur der zeitlichen Überbrückung gedient habe und somit der notwendige enge Zusammenhang nicht mehr gegeben sei.
Der BFH hat entschieden, dass mehrere Ausbildungsabschnitte eine einheitliche Erstausbildung darstellen können, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann. In einem solchen Fall muss aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat. Dabei ist darauf abzustellen, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinanderstehen und in engem zeitlichem Zusammenhang durchgeführt werden.
An einer Ausbildungseinheit fehlt es dagegen, wenn die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnittes eine berufspraktische Tätigkeit voraussetzt oder das Kind nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnittes eine Berufstätigkeit aufnimmt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum nächstmöglichen Beginn des Weiteren Ausbildungsabschnitts dient.
Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass eine Zusammenfassung von zwei Ausbildungsabschnitten zu einer mehraktigen Erstausbildung schädlich ist, wenn für das Ablegen der Abschlussprüfung im zweiten Ausbildungsabschnitt eine Berufstätigkeit Voraussetzung ist. Denn diese Voraussetzung kann möglicherweise auch durch eine vor oder während des ersten Ausbildungsabschnittes durchgeführte Tätigkeit erfüllt werden. Ebenso ist denkbar, dass diese Prüfungsvoraussetzung auch während des zweiten Ausbildungsabschnittes durchgeführt wird, wobei eine Arbeitstätigkeit von weniger als 20 Wochenstunden ausreichen kann. Besteht in solchen Fällen ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten, hält es der BFH für nicht gerechtfertigt, allein aus der Prüfungsvoraussetzung „Berufstätigkeit“ eine Zäsur abzuleiten, obwohl die Arbeitstätigkeit die Ausbildung nicht unterbricht und die zweite Ausbildungsphase durch die Ausbildung und nicht durch die Arbeitstätigkeit geprägt wird. Diese Feststellung muss nunmehr das Finanzgericht nachholen.