Nachzahlungszinsen: Höhe nicht mehr verfassungsgemäß

Verfahrensrecht

Die Zinsen für Steuernachzahlungen betragen für jeden Monat 0,5%. Allein bei der steuerlichen Betriebsprüfung vereinnahmte der Fiskus im Bereich der Zinsen in den letzten Jahren mehr als 2 Mrd. Euro. Zuletzt hatte der BFH für einen Zinsbescheid aus dem Jahr 2013 entschieden, dass die Höhe der Nachforderungszinsen weder gegen das Grundgesetz noch gegen das Übermaßverbot verstößt.

Nunmehr kommt die Kehrtwende! Für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 zweifelt der BFH an der Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen. Konsequenz ist, dass der BFH die Aussetzung der Vollziehung gewährt hat.

Beispiel:
Nach einer Betriebsprüfung verlangte das Finanzamt in dem mit der Steuerfestsetzung verbundenen Zinsbescheid für den Zeitraum vom 1.4.2015 bis 16.11.2017 Nachzahlungszinsen in Höhe von 240.831 €. Die Antragsteller begehren die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des Zinsbescheids, da die Höhe der Zinsen von 0,5% für jeden Monat verfassungswidrig sei. Der BFH hat dem Antrag stattgegeben und die Vollziehung des Zinsbescheids in vollem Umfang ausgesetzt.

Der BFH hat wegen der Höhe der Zinsen für Zeiträume ab dem Jahr 2015 schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit. Der BFH begründet dies mit der realitätsfernen Bemessung des Zinssatzes, die den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes verletze. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz überschreite den angemessenen Rahmen erheblich, da sich ein niedriges Marktzinsniveau strukturell und nachhaltig verfestigt habe.

Der Sinn und Zweck der Verzinsung besteht darin, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhält, dass er während der Dauer der Nichtentrichtung über eine Geldsumme verfügen kann. Dieses Ziel sei wegen des strukturellen Niedrigzinsniveaus im typischen Fall für Jahre ab 2015 nicht erreichbar, sodass die Zinshöhe inzwischen realitätsfern sei. Es bestehen außerdem schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel. Die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe wirkt in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein Zuschlag auf die Steuerfestsetzung, was nicht zulässig sei.

Hinweis: Gegen die Festsetzung von Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 2015 sollte unbedingt Einspruch eingelegt werden. Damit die Zinsen nicht bezahlt werden müssen, sollte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung beantragt werden.

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