Steuernews

Reihengeschäfte bei der Umsatzsteuer ab 2020

Schließen mehrere Unternehmer Umsatzgeschäfte über denselben Gegenstand ab, indem dieser Gegenstand unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Unternehmer befördert oder versendet wird, handelt es sich um ein Reihengeschäft. Bei Reihengeschäften muss zwischen Beförderungs- oder Versendungslieferung (= bewegter Lieferung) und ruhender Lieferung unterschieden werden. Es handelt sich um eine Beförderung, wenn der Unternehmer selbst einen Gegenstand zu seinem Abnehmer transportiert. Beauftragt er einen unabhängigen Dritten (z. B. eine Spedition, die Post oder einen anderen Zustelldienst), den Gegenstand zum Kunden zu bringen, handelt es sich um eine Versendung. Der Unternehmer führt seine Lieferung dann mit der Übergabe an den Beauftragten aus.

Die Beförderungs- oder Versendungslieferung ist immer die Lieferung, die mit der Warenbewegung verbunden ist.

  • Der Ort der Beförderungs- oder Versendungslieferung befindet sich da, wo die Beförderung oder Versendung beginnt (§ 3 Abs. 6 UStG). 
  • Die ruhende Lieferung ist immer die Lieferung, bei der keine Warenbewegung stattfindet. Der Ort der Lieferung befindet sich bei der ruhenden Lieferung immer da, wo die Beförderung oder Versendung endet (§ 3 Abs. 7 UStG). 

Entscheidend ist also, welche am Reihengeschäft beteiligte Person den Gegenstand befördert oder versendet. Das kann der erste Unternehmer oder der letzte Abnehmer oder ein Zwischenhändler sein. Dabei kommt es auf die tatsächliche Fortbewegung des Gegenstands durch eine der am Reihengeschäft beteiligten Person an. Bei grenzüberschreitenden Reihengeschäften (EU oder Drittland) muss eine exakte Zuordnung in der Lieferkette vorgenommen werden, um zu klären, ob 

  • eine steuerpflichtige Lieferung im Inland,
  • eine steuerfreie Ausfuhrlieferung,
  • eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung oder
  • ein innergemeinschaftlicher Erwerb vorliegt. 

Bei der Zuordnung der Beförderung oder Versendung (bewegte Lieferung) ist wie folgt zu unterscheiden:

  • Wird der Gegenstand der Lieferung durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist ihm die Beförderungs- oder Versendungslieferung zuzuordnen.
  • Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer (der kein Lieferer mehr ist) befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung ihm zuzuordnen.
  • Wird der Liefergegenstand durch einen Unternehmer befördert oder versendet, der in diesem Liefergeschäft sowohl Abnehmer als auch Lieferer ist (Zwischenhändler = mittlerer Unternehmer in der Reihe), bestehen für die Zuordnung der Beförderung oder Versendung zwei Möglichkeiten:

a) Grundsätzlich wird widerlegbar vermutet, dass der handelnde Unternehmer als Abnehmer aufgetreten ist. Die Beförderung oder Versendung ist deshalb der Lieferung des vorangehenden Unternehmers an den Zwischenhändler zuzuordnen.
b) Die Beförderung oder Versendung wird der Lieferung des handelnden Unternehmers (also nicht der Lieferung des vorangehenden Unternehmers an den Zwischenhändler) zugeordnet, wenn nachgewiesen wird, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Der Nachweis, dass der Zwischenhändler als Lieferer aufgetreten ist, kann anhand von Belegen erbracht werden.

Praxis-Beispiel:
Unternehmer A erwirbt Ware beim Unternehmer B, der diese Ware nicht vorrätig hat. B bestellt daher die Ware beim Hersteller H. Unternehmer B hat die Spedition mit dem Transport der Ware zu A beauftragt. Konsequenz: Es handelt sich um ein Reihengeschäft, wobei die Versendung der Lieferung (= bewegte Lieferung) dem Unternehmer B zuzuordnen ist, weil B die Versendung veranlasst hat. B führt somit die bewegte Lieferung aus, sodass sich der Ort der Lieferung bei ihm befindet. Der Ort der (ruhenden) Lieferung von H an B befindet sich da, wo die Beförderung endet (§ 3 Abs. 7 UstG).

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Reisekosten: Abrechnung mit dem Auftraggeber

Reisekosten, die bei der Durchführung eines Auftrags entstehen, werden in den meisten Fällen dem Auftraggeber weiterberechnet. Was abgerechnet wird, können Auftragnehmer und Auftraggeber frei vereinbaren. Reisekosten, die weiterberechnet werden, sind keine durchlaufenden Posten und müssen deshalb auch der Umsatzsteuer unterworfen werden. Wie der Unternehmer die Reisekosten in der eigenen Buchführung erfassen muss, spielt bei der Weiterberechnung keine Rolle.

Abrechnung der Fahrtkosten: Bei den Fahrtkosten wird häufig der für steuerliche Zwecke maßgebende pauschale km-Satz von 0,30 € festgelegt. Gehört das Fahrzeug zum Betriebsvermögen, werden in der Buchführung die tatsächlichen Kosten erfasst, auch wenn z. B. der Auftragnehmer seinem Auftraggeber für eine Fahrt von 400 km (400 km x 0,30 € =) 120,00 € berechnet. Der Unternehmer selbst darf die km-Pauschale nur geltend machen, wenn er ein privates Fahrzeug verwendet. Obwohl der Auftragnehmer selbst aus der km-Pauschale keine Vorsteuern geltend machen darf, muss er Umsatzsteuer berechnen, wenn er die Kosten einem anderen in Rechnung stellt.

Abrechnung der Verpflegungskosten: Es gibt zwei Varianten. Der Auftraggeber verpflegt den beauftragten Unternehmer und trägt dafür unmittelbar die Kosten. Der beauftragte Unternehmer rechnet dann keine Verpflegungskosten ab. Die Kosten der Bewirtung, die der Auftraggeber trägt, sind beim beauftragten Unternehmer nicht als Einnahmen zu erfassen. Wenn der beauftrage Unternehmer seine Verpflegungskosten selbst trägt, wird regelmäßig vereinbart, dass er diese mit den steuerlich zulässigen Pauschalen abrechnen kann.

Abrechnung der Übernachtungskosten: Bei Übernachtungen berechnet der Aufragnehmer entweder eine vereinbarte Pauschale oder die tatsächlich entstandenen Übernachtungskosten. Bei der Weiterberechnung ergibt sich nur dann ein ausgeglichenes wirtschaftliches Ergebnis, wenn dem Auftraggeber die Netto-Übernachtungskosten zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden. 

Praxis-Beispiel: 
Ein selbstständiger Informatiker schreibt seinem Auftraggeber eine Rechnung, in der er - wie vereinbart - auch die Reisekosten in Rechnung stellt. Die Reisekosten darf er nicht als durchlaufende Posten ausweisen. Er muss sie mit dem Steuersatz, der für die Hauptleistung maßgebend ist, der Umsatzsteuer unterwerfen. Der Informatiker rechnet seine Leistung wie folgt ab:

Installation von Computern 3.250,00 €
Software liefern und installieren 8.240,00 €
Reisekosten:  
Fahrtkosten 500 km x 0,30 € 150,00 €
Übernachtungskosten (netto) 110,00 €
Verpflegungsmehraufwand (pauschal) 28,00 €
Zwischensumme 11.778,00 €
Umsatzsteuer 19 % 2.237,82 €
Rechnungsbetrag 14.015,82 €

Anzuwendender Steuersatz: Bei der Abrechnung der Reisekosten handelt es sich um eine Nebenleistung, die umsatzsteuerlich das Schicksal der Hauptleistung teilt. Unterliegt die Hauptleistung dem Steuersatz von 19% (wie z. B. die Lieferung eines Computers einschließlich Software mit Installation), dann sind die Reisekosten ebenfalls mit 19% Umsatzsteuer abzurechnen, auch wenn der Auftragnehmer selbst für die Übernachtung nur 7% Umsatzsteuer gezahlt hat. Rechnet der Auftragnehmer seine Leistungen mit 7% Umsatzsteuer ab, sind für die Nebenleistungen (z. B. für die Reisekosten) ebenfalls 7% anzurechnen.

Wegen der Berechnung der Umsatzsteuer und des Vorsteuerabzugs darf der Auftragnehmer die Rechnungen, die auf seinen Namen lauten, nicht einfach an den Auftraggeber weiterleiten. Der Auftraggeber ist dann nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Beim Auftragnehmer ist die Erstattung der Kosten ein Teil des umsatzsteuerpflichtigen Entgelts, auch wenn darüber keine Rechnung ausgestellt wird.

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Bauabzugsteuer: Berichtigung einer Anmeldung 

Erbringt jemand im Inland eine Bauleistung an einen Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes, ist der Leistungsempfänger verpflichtet, von der Gegenleistung einen Steuerabzug in Höhe von 15% für Rechnung des Leistenden vorzunehmen (§ 48 EStG). Der Leistungsempfänger hat bis zum zehnten Tag nach Ablauf des Monats, in dem die Gegenleistung erbracht wird, eine Anmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, in der er den Steuerabzug für den Anmeldungszeitraum selbst zu berechnen hat. Der Abzugsbetrag ist am zehnten Tag nach Ablauf des Anmeldungszeitraums fällig und an das für den Leistenden zuständige Finanzamt für Rechnung des Leistenden abzuführen. Die Anmeldung des Abzugsbetrags steht einer Steueranmeldung gleich.

Praxis-Beispiel:
Ein Unternehmen war im Bereich der Energie- und Haustechnik tätig. Hierzu gehörte auch die Lieferung und Montage von Photovoltaikanlagen in Form von Aufdach-Anlagen. Im Oktober und November 2011 beauftragte sie eine andere Firma (A Ltd.) mit der Durchführung entsprechender Montagearbeiten. Sie reichte hierfür eine Anmeldung über den Steuerabzug von Bauleistungen beim Finanzamt ein und führte diese ans Finanzamt ab.

Am 21.02.2014 teilte das Unternehmen dem Finanzamt mit, dass der Steuerabzug mangels Bauleistung nicht gerechtfertigt war. Das Unternehmen beantragte, den Steuerabzug für Bauleistungen dahingehend zu ändern, dass der Steuerabzug auf 0 € festgesetzt wird. Das Finanzamt lehnte eine Änderung der Anmeldung über den Steuerabzug bei Bauleistungen ab. Einspruch und Klage des Unternehmens blieben erfolglos.

Der BFH hat nunmehr entschieden, dass die Ablehnung der Berichtigung der Bauabzugsteuer auf 0 € unberechtigt ist. Ob für die Montage einer Aufdach-Photovoltaikanlage überhaupt eine Bauabzugssteuer einzubehalten war, kann dahingestellt bleiben. Eine etwaige Bauabzugssteuer für die Montageleistungen der A Ltd. ist jedenfalls nicht im streitigen Anmeldungszeitraum Dezember 2011 entstanden. In der Anmeldung, die einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, war nur der Anmeldungszeitraum Dezember 2011 angekreuzt. Die Anmeldung für Dezember 2011 kann aber nicht als Anmeldung für die Zeiträume Oktober und November 2011 umgedeutet werden. 

Die Bauabzugssteuer entsteht mit dem Abfluss der Gegenleistung. Da das Unternehmen bereits im Oktober und November 2011 seine Zahlungen an die A Ltd. geleistet hatte, ist im streitigen Anmeldungszeitraum Dezember 2011 keine Bauabzugsteuer angefallen, sodass die Bauabzugsteuer auf 0 € herabzusetzen ist.

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Corona-Schutzschild: Fragen und Antworten zu den Hilfsprogrammen

Für Unternehmen gibt es Zuschüsse, Kredite, Bürgschaften und die Möglichkeit, Steuern herabsetzen zu lassen oder zu stunden. Arbeitgeber haben die Möglichkeit, Kurzarbeitergeld für ihren Betrieb zu beantragen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) stellt Hilfskredite zur Verfügung. Für Unternehmen, die seit mindestens fünf Jahren bestehen, gibt es den KfW-Unternehmerkredit, für Unternehmen, die noch nicht seit fünf Jahren bestehen, steht der ERP-Gründerkredit zur Verfügung. Darüber hinaus können kleinere und mittelständische Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen einen Schnellkredit ohne Kreditrisikoprüfung beantragen. 

Die Bundesregierung hat ein Milliarden-Hilfspaket auf den Weg gebracht, das laufend ergänzt wird. Hierzu gehören z. B.

  • Wirtschaftsstabilisierungsfonds für staatliche Liquiditätsgarantien und Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals von Unternehmen.
  • Soforthilfe (direkte Zuschüsse) für kleine Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler
  • Hilfsprogramme zur Sicherung der Liquidität von Unternehmen, Selbstständigen und Freiberuflern (KfW-Sonderprogramme für Kredite und Ausweitung im Bereich der Bürgschaftsprogramme)
  • Erleichterter Zugang zur Grundsicherung für Solo-Selbstständige
  • Ausweitung des Kurzarbeitergeldes
  • Erleichterter Zugang zu sozialer Sicherung

Das BMF hat auf seiner Website unter FAQ - Fragen und Antworten eine Zusammenstellung veröffentlicht, die einen informativen Überblick vermittelt.

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Privatnutzung bei mehreren Firmen-Fahrzeugen

Ohne Fahrtenbuch ist die private Nutzung eines Firmenfahrzeugs nach der 1%-Regelung zu ermitteln. Dabei gilt die allgemeine Lebenserfahrung, dass der Unternehmer ein Firmenfahrzeug auch dann für private Fahrten nutzt, wenn ihm ein privates Fahrzeug zur Verfügung steht. Der „Anscheinsbeweis“ für eine Privatnutzung des Firmenwagens kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen erschüttert werden.

Praxis-Beispiel:
Ein alleinstehender Unternehmer wohnte in unmittelbar Nähe zum Betrieb. Ihm stand ein privater Mercedes Benz C 280 T zur alleinigen Nutzung zur Verfügung. Im Anlagevermögen der Klägerin befand sich ein Pkw der Marke Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet (Kastenwagen). Dabei handelt es sich um einen Kompakt-Van, der mit fünf Sitzen ausgestattet ist. Das Fahrzeug besaß keine Verblendung der hinteren Fenster, keine festen Ein- und Umbauten sowie keinerlei Werbe- bzw. Firmenaufschriften. Für dieses Fahrzeug führte die KG bzw. deren Kommanditist kein Fahrtenbuch. Ein privater Nutzungsanteil wurde nicht erklärt, weil das Fahrzeug von dem einzigen Kommanditisten für allgemeine Fahrten, insbesondere für Fahrten zu den Betriebsstätten der KG genutzt wurde. Das Finanzamt ging davon aus, dass der Fiat Doblo auch privat genutzt wurde und ermittelte den privaten Nutzungsanteil mithilfe der 1%-Regelung. 

Die KG machte geltend, dass der Ansatz eines Privatanteils nicht in Betracht komme, da der Fiat ausschließlich betrieblich genutzt worden sei. Bei dem Fiat handle es sich um einen Kastenwagen, der von der KG überwiegend für die Fahrten zwischen dem Firmensitz und den einzelnen Kiesausbeutestätten genutzt worden sei. Im Kofferraum des Fahrzeugs sei ständig eine große Werkzeugkiste untergebracht. Bei den Fahrten am Morgen und am Abend befand sich neben dem Kommanditisten der KG immer auch ein Mitarbeiter im Fahrzeug. 

Nach der allgemeinen Lebenserfahrung werden dienstliche oder betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins. Der Ansatz der 1%-Regelung für die Privatnutzung eines Kfz kommt allerdings nach der Rechtsprechung nicht zum Tragen, wenn keine private Nutzung stattgefunden hat. Dabei reicht es allerdings nicht aus, wenn lediglich behauptet wird, dass für privat veranlasste Fahrten ein privates Fahrzeug zur Verfügung gestanden habe. Liegen keine besonderen Umstände vor, ist aufgrund der Anscheinsbeweisregel regelmäßig davon auszugehen, dass eine private Nutzung stattgefunden hat.

Es ist keine Privatnutzung anzusetzen, wenn es sich um ein Fahrzeug handelt, das typischerweise zum privaten Gebrauch nicht geeignet ist. Das trifft auf den Fiat Doblo nicht zu, weil er nicht mit einem Lkw, einer Zugmaschine oder einem klassischen Werkstattwagen gleichzusetzen ist. Werkstattwagen sind Fahrzeuge, die wegen ihrer Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich zur Beförderung von Gütern bestimmt sind. Insbesondere die Anzahl der Sitzplätze, das äußere Erscheinungsbild, die Verblendung der hinteren Seitenfenster und das Vorhandensein einer Abtrennung zwischen Lade- und Fahrgastraum machen deutlich, dass ein Werkstattwagen für private Zwecke nicht geeignet ist. Das trifft hier auf den Fiat Doblo unstreitig nicht zu.

Es kann aber auch aus anderen Gründen davon ausgegangen werden, dass tatsächlich keine private Nutzung stattgefunden hat. So ist der Anscheinsbeweis der Privatnutzung im Beispielsfall deshalb erschüttert, weil dem einzigen Kommanditisten für Privatfahrten mit dem Mercedes Benz C 280 T ein Fahrzeug zur alleinigen Verfügung stand, der in Status und Gebrauchswert vergleichbar ist. Unter dem Aspekt des Status eines Fahrzeuges sind vornehmlich Prestigegesichtspunkte zu berücksichtigen.

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Kindergeld: Abgrenzung zwischen Erstausbildung und Zweitausbildung

Können zwei Ausbildungsabschnitte als eine einheitliche Erstausbildung gewertet werden, wird das Kindergeld für den gesamten Zeitraum gewährt. Es liegt allerdings keine einheitliche Ausbildung vor, wenn das Kind nach der ersten Ausbildung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur der Weiterbildung oder dem Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig dienen. Der „zweite Ausbildungsabschnitt“ ist dann als Nebensache zur Erwerbstätigkeit (= Fortbildung) anzusehen. Setzt die Aufnahme eines Studiums eine parallel ausgeübte Berufstätigkeit voraus, kann nicht ohne weiteres daraus abgeleitet werden, dass das Studium eine Zweitausbildung darstellt.

Praxis-Beispiel:
Der Vater erhielt ab Februar 2018 kein Kindergeld mehr, weil seine 1997 geborene Tochter im Januar 2018 ihr Ausbildungsverhältnis zur Industriekauffrau erfolgreich abgeschlossen hat. Ab dem 31.1.2018 wurde sie in ein Angestelltenverhältnis bei ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen. Der Vater legte Einspruch ein, weil seine Tochter bereits seit dem 1.3.2017 in Teilzeit den Studiengang "Business Administration" durchführe. Bei der Ausbildung zur Industriekauffrau und dem nachfolgenden Studium handele es sich um eine einheitliche Erstausbildung. Das angestrebte Berufsziel erreiche seine Tochter erst mit dem erfolgreichen Abschluss des Studiums. Der Vater legte eine Bescheinigung vor, wonach es sich um ein berufsbegleitendes Studium handele, dessen Vorlesungen in den Abendstunden und an den Wochenenden stattfänden und das voraussichtlich am 31.08.2020 beendet sei.

Es kann an einer einheitlichen Erstausbildung fehlen, wenn das Kind nach Erlangung des ersten Abschlusses eine Berufstätigkeit aufnimmt und die in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten (= Nebensache zur Erwerbstätigkeit). Dabei ist auf Folgendes zu achten:

  • Wenn das Kind annähernd in Vollzeit arbeitet und die Ausbildungsmaßnahmen nur am Abend und am Wochenende durchgeführt werden, deutet dies darauf hin, dass die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur "neben der Berufstätigkeit" durchgeführt werden.
  • Von Bedeutung ist auch, ob und inwieweit die Berufstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen über den zeitlichen Aspekt hinaus auch inhaltlich aufeinander abgestimmt sind.
  • Das parallel zur Berufstätigkeit betriebene Bachelorstudium muss nicht Teil einer einheitlichen Erstausbildung sein; es kann sich auch um eine berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahme handeln. 

Da das Finanzgericht nicht darauf eingegangen ist, muss es aufgrund der vom BFH genannten Rechtsgrundsätze der Frage nachgehen, ob das Bachelorstudium dem Beschäftigungsverhältnis untergeordnet war, oder umgekehrt das Beschäftigungsverhältnis dem Studium.

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